Meine erste USA-Reise (2002)

 

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und exklusiv hier auf wilfi.de

 

 

 

 

Elf Leute, sechs GoldWings, ein Land

 

Meine allererste Reise durch die USA

Zum WingDing in Fort Wayne

 

 

Von Wilfried R. Virmond

Juni/Juli 2002

Letztes Update: 03.02.2023

 

Überarbeitete, aktualisierte und um ein paar Fotos erweiterte Fassung (2020)

(Dies war mein erster Reisebericht hier auf wilfi.de)

 

 

 

 

 

Düsseldorf – Chicago

Samstag, 29. Juni 2002: In Düsseldorf treffe ich mich mit Ingrid am Flughafen, und wir checken ein zum Zubringerflug nach Frankfurt. Ich wundere mich mal wieder, daß man derart kurze Flüge macht, vor allem, wo es doch die schnellen ICEs und überhaupt die neue Schnellbahnverbindung Köln-Frankfurt gibt. Im Flieger sieht die Stewardess unsere Motorradhelme, die wir in der Hand tragen, weil sie sonst zu viel Platz im Gepäck weggenommen hätten. Wir freuen uns, daß sie uns gutes Wetter und unfallfreie Fahrt wünscht; das hebt die Laune nach dem ewiglangen Anstellen beim Einchecken. Für die lächerlich kurze Strecke sind wir fast eine Stunde in der Luft.

In Frankfurt Rhein-Main angekommen, müssen wir sehr viel laufen, drei Personenkontrollen, kein Gepäckwagen zu finden und wenn wir einen haben, darf er nicht durch die nächste Sperre.

Endlich sind wir am Flugsteig, Enrico und CG (Claus-Georg Petri, hat zwei GoldWing-Bücher geschrieben), winken schon von weitem. Händeschütteln, jetzt geht’s endlich los. Fünfzehn Tage Abenteuer liegen vor uns.

Ganz schön groß so ein Jumbo. Bin noch nie in einem geflogen. War ja auch noch nie auf Langstrecke. Halt immer nur „Mittelstrecke“, Türkei, Kanarische Inseln, Kreta, Zypern, Ägypten und so. Mann, sind die Sitze hier eng. Das Essen habe ich mir auch etwas besser vorgestellt. Aber Getränke gibt es ausreichend.

Der Pole rechts neben mir am Fenster macht sich ganz schön breit. Und jede Menge Inder/Pakistani im Flugzeug. Hoffentlich sind das keine Terroristen. Wie die ständig im Gang hin- und herwuseln und Unruhe verbreiten! Ich versuche, trotzdem etwas zu schlafen. Gleichzeitig muß ich die dunklen Typen im Auge behalten! (Vor neun Monaten war der schreckliche Terroranschlag 9/11.)

Nach fünf Stunden taucht wieder Land unter uns auf. Kanada. Unzählige kleine und ganz kleine Seen. Auch größere. Eine Stunde später wird endlich der Landeanflug angekündigt. Wir setzen auf. Chicago O’Hare. Sieben Stunden Flugzeit. Zum ersten Mal bin ich auf amerikanischem Boden. Ich bin in Chicago! Bin total begeistert!!

Zu Fuß und über einige Laufbänder geht’s zur Einwanderungskontrolle. Mehrere Schlangen. Klar, logisch, Ingrid und ich sind besonders pfiffig und wir stellen uns an der kürzesten an. Wir winken den andern aus unserer Gruppe in den längeren Schlangen grinsend zu. Doch unsere ist natürlich die langsamste, wie im Supermarkt, da steh’ ich auch immer an der falschen Reihe. Die andern sind schon lange durch und winken jetzt uns beiden immer wieder ungeduldig zu – und wir haben immer noch jede Menge Inder vor uns. Es geht hier kaum voran.

Endlich sind wir dran. Ich bin sauer mit dem amerikanischen System und hab‘ jetzt keine Lust mehr, mitzuspielen und doofe Fragen zu beantworten und stelle mich absichtlich nichtenglischsprechend. Doch CG sieht es, kommt und übersetzt. Naja, dadurch geht es schneller. Die andern aus unserer Gruppe haben inzwischen schon unsere drei grünen Gepäcktaschen vom Laufband genommen; sie sind ja auch leicht unter all den andern Koffern zu erkennen.

Zum ersten Mal stehen wir unserer kompletten Reisegruppe gegenüber. Ich fang mal an:  

        • Enrico (unser Organisator) und seine „Schweschter“ Elke aus der Nähe von Balingen (im Schwabenland),
        • CG P., er wird uns als Guide führen,
        • Heide St., die Filmaufnahmen auf unserer Reise für eine von ihr später produzierte CD machen wird, beide aus der Nähe von Stuttgart,
        • Uwe und Jana aus Suhl,
        • Günter und Erika aus Dachau,
        • Walter aus Ludwigsburg (als Einziger der Gruppe alleinreisend),
        • Ingrid aus Emmerich und meine Wenigkeit aus dem Hunsrück.

Kurzes Händeschütteln. Anscheinend sind alle okay. Wir fremdeln halt noch etwas. Durch die Glastür ins Freie. Peng! haut uns die Hitze voll in die Schnauze. Mann, ist das heiß hier draußen!

Wir warten auf unseren kleinen Zubringer-Bus und bestaunen schonmal die Autos, Taxis, Busse, Menschen. Jede Menge Stretch-Limos. Und dann die Hitze! Enrico muß jetzt allein mit dem Taxi weg, weil unsere Motorrad-Vermietung nur fünf GoldWings zur Verfügung hat; er fährt zu einem anderen Vermieter, wird dort seine GoldWing übernehmen und will sich dann mit uns am Hotel treffen. Für uns hat er, pfiffig wie er ist, einen Hotel-Bus organisiert. Dieser bringt uns erst einmal zum Bus unseres Motorrad-Vermieters, der aus mir unbekannten Gründen an einer anderen Ecke des Flughafens auf uns wartet.

Jedes Mal knallt uns die eiskalte Klimaanlagen-Luft beim Einsteigen im Bus entgegen, dann ist es wieder heiß beim Aussteigen. Ich paß auf, daß ich nicht direkt vor den Kühlluftauslässen sitze. Bin für sowas ja empfindlich.

Gepäck nochmal hinten verladen, dann geht’s auf die Autobahn. Hier gibt’s jede Menge Fahrspuren. Und Reklameschilder. Riesige Reklameschilder. „Billboards“.

Es ist Samstag-Nachmittag, der Verkehr läuft ruhig. Eine Mautstelle. Patricia, die Chefin unserer Motorrad-Vermietung sitzt am Steuer und fährt flott links vorbei. 40 Cents werden elektronisch über Funk abgebucht. Die meisten andern Fahrzeuge halten an und bezahlen, je nach gewählter Fahrspur, per Karte oder bar. Patricia erzählt, daß sie Schweizerin ist und schon einige Jahre ganz zufrieden in den USA lebt. Sie führt eine kleine Motorrad- und Wohnmobil-Vermietung. Dann eine neue Zahlstelle, wieder viel schneller als erlaubt und ohne anzuhalten vorbei. Dann erneut eine Zahlstelle, wieder durch. Das ist ja einfach!  

Endlich taucht die Skyline Chicagos vor uns auf. Ziemlich wenig Wolkenkratzer. Hab‘ ich mir mehr vorgestellt, viel höher, viel imposanter. Plötzlich sind wir in der Innenstadt. Verkehr, Baustellen, Ampeln, Fußgänger, enge Fahrspuren. Ganz schön aufregend. Und laut. Jetzt sind es auch auf einmal viel mehr Hochhäuser und Wolkenkratzer um uns herum. Polizisten/innen regeln den Verkehr. Unsere Gruppe wird an einer Ampel zerrissen, die vorderen warten kurz nach der Kreuzung. Weiter geht’s.

Ohne groß zu suchen sind wir am Hotel. Aber es sind keine Zimmer für uns reserviert! Wir sind etwas genervt, das fängt ja gut an. Aber da kommt Enrico auf einer postgelben 1800er um die Ecke gesaust. Er kümmert sich drum und schon ist die Sache geklärt. Die Zimmer sind unter einem anderen Namen reserviert worden.

Die Mopeds müssen gegenüber in einem Parkhaus geparkt werden. Ich fürchte, daß das zum Schluß ganz schön teuer werden wird.

Endlich haben wir alle unsere Zimmerschlüssel und dürfen auf die Zimmer. Das uns beiden zugeteilte Zimmer (3rd Floor, 2. Etage) muß ich canceln; wir blicken direkt auf eine trostlose Backsteinwand, höchstens vier Meter entfernt. Ich fahr wieder runter und frage nach einem anderen Zimmer – und bekomme es! Viel besser hier oben. 15. Stock, Eckzimmer, zwei Fenster und Aussicht auf die gegenüberliegenden Hochhäuser. Klimaanlage. Fernseher. Breites Bett. Großes Bad. Sieht alles gut aus. Und auf jeden Fall viel besser als da unten.

Erstmal duschen und umziehen, ah, das tut gut! War halt doch ein echt langer Flug. Der von Ingrid mitgebrachte Föhn geht nicht, läßt sich nicht auf 110 Volt umstellen. Okay, hab‘ ich vorher nicht dran gedacht. Ich hol ihr einen geliehenen Föhn unten an der Reception. Nur gut, daß ich für meine paar Haare keinen Föhn brauche. Den mitgenommenen Adapter brauche ich nicht.

Unten warten schon alle auf uns. Hunger! Wir laufen durch die Häuserschluchten und über Brücken. Mann, was ist das Wasser hier grün! Ganz schön hier. Abendstimmung. Die Sonne verschwindet hinter den Hochhäusern. Der Tipp, zu einem Volksfest zu gehen, erweist sich als nicht so gut. Viel zu viel Gedränge, wir brauchen was anderes.

Endlich finden wir ein Restaurant. Randolph’s. Etwas unterhalb des Gehsteigs, durch die Fenster sehen wir die Beine der Fußgänger. Speisekarte kommt. Ganz schön schwierig, hier etwas auszusuchen. Immerhin halte ich zum ersten Mal eine amerikanische Speisekarte in der Hand. Dann die Getränke. CG schlägt Pitcher vor: Große Glaskannen, aus denen man sich Bier selbst nachschenken kann. Schmeckt nicht besonders, kein Schaum, aber besser, als ich mir vorgestellt habe. Alles ist am Mampfen.

Dann ist etwas Zeit und jeder stellt sich kurz vor. Ein paar witzige Bemerkungen zu mir fallen mir natürlich erst hinterher ein, zu spät. Aber wir kennen uns alle jetzt schon mal ein bißchen besser. CG macht ein kurzes Briefing für die nächsten zwei Tage und erklärt uns einiges, was wir später auf der Fahrt beachten müssen.

Dann geht’s zurück ins Hotel. Ingrid will noch Wäsche waschen. Fernseher an. 38 Programme. So wenig? Alle voll mit Werbung. Kein Musiksender. Ich schalte um auf QVC, mein „Lieblingssender“ zuhause. Und schlafe dabei ein. Nachts wache ich auf, möchte ein Fenster aufmachen, geht nicht. Klimaanlage ist laut. Schlafe unruhig. Klar, ist ja auch die erste Nacht in den USA.

 

 

Chicago

Sonntag, 30. Juni 2002: Morgens um 6 am (6:00 Uhr) aufwachen, wir müssen Fußball gucken! WM-Endspiel! Deutschland-Brasilien. Brasilien gewinnt. Schade. Duschen, anziehen, unten treffen wir die andern zum Frühstück. Das gibt’s nicht im Hotel, aber gleich gegenüber. Wir sitzen auf Barhockern rund um eine riesige Theke. Wieder schwer zu bestellen. Ich glaub’, die andern haben sich alle bessere Sachen ausgewählt. (Aber das denke ich ja oft. Was war es so angenehm mit Harry, wenn wir so oft unsere Teller miteinander getauscht haben.) Kaffee gibt’s auch, wird ständig kostenlos nachgefüllt. Eiswasser auch. Enrico lädt uns alle ein und bezahlt. Gefällt uns. Und auf geht’s.

In die Stadt. Wir wollen eine Bootsfahrt machen. Weil das Boot erst um 12 am (12:00 Uhr mittags) ablegt, gehen wir zu einem in der Nähe liegenden Vergnügungspier. Jana kauft sich ein giftblaues Getränk und zeigt uns ihre blaue Zunge. Wir lachen.

Weil die Zeit drängt, müssen wir aber schon bald zurück. Heiß! Wir schwitzen. Pünktlich geht’s los. Chicago River. Mit Reiseführerin. Die schwatzt ununterbrochen, zwei Stunden lang, und erklärt uns die Architektur links und rechts am Fluß. Hochhaus an Hochhaus. Alt und neu. Eigentlich ganz beeindruckend. Wenn es nur nicht alles in Englisch wäre. Ich verstehe ab und zu „Bauhaus“. Vor allem, wenn ältere Hochhäuser in der Nähe sind. Könnten wirklich von Gropius und/oder von seinen Schülern sein. Wirklich sehr eindrucksvoll.

Das Flußwasser ist immer noch so grün wie gestern, unglaublich grün. Zwei gleiche runde Hochhäuser kommen in Sicht. Marina Towers. Die kenne ich. Steve McQueen. Ein Auto fällt hoch oben aus einem Parkdeck ins Wasser.

Hier ist’s schön. Gefällt mir. Bin glücklich. Mann, was ist das Wasser grün! Unbeschreiblich grün! (Später lese ich, daß es alljährlich zum St. Patricks-Day noch sehr viel grüner gefärbt wird.) Kaffee, kalte Getränke und Kuchen gibt’s auf dem Boot. Kostenlos. Gefällt mir noch besser. Schade, viel zu schnell sind wir zurück.

Irgendjemand schlägt vor, daß wir uns aufteilen und noch mal auf dem naheliegenden Vergnügungsgelände „Navypier“ umsehen. www.navypier.com

Die andern wollen auf den John Hancock-Tower und Aussicht reinziehen. Ingrid und ich entscheiden uns für den Pier. Hier gibt’s viel Kirmes. Und viele Menschen. American Life. Jede Menge Verkaufsstände, Essen, Getränke, Eis; und viel zu laute Musik über Lautsprecher, die überall verteilt sind. Ausflugsboote. Riesenrad. Es gibt auch einen riesigen, eiskalten Wintergarten, in dem wir aber nicht lange bleiben. Zu kalt!

Wir sehen uns um. Kaufen können wir nichts. Kein Platz im Moped. Wollen auch erst einmal abwarten. Interessant und ungewohnt. Heiß! Bestimmt um die 40 °C.

Wir ziehen uns ein sehr teures Eis und Hotdogs rein. Dann geht’s langsam zurück. Am Ausgang ist ein großes Wasserspiel. Menschen werden angezogen. Vor allem Kinder. Die haben den größten Spaß daran. Alle werden naß gespritzt, weil niemand weiß, aus welcher der vielen Düsen das Wasser als nächstes aus dem Boden raus kommt. Wir werden nicht satt, auf einer Banksitzend dabei zuzusehen und unentwegt zu schmunzeln. Ich würde ja auch gerne mal. Uwe und Jana sind inzwischen auch wieder da. Uwe hat für jedes Motorrad kleine Deutschland-Fähnchen besorgt; die wollen wir an den Antennen der Mopeds festmachen.  

Keine Zeit, um weiter zuzusehen, wir müssen zurück zum Treffpunkt. Nachdem wir alle wieder zusammen sind, essen wir auf einer Plattform am Flußufer zu Abend. Einiges Essen (z.B. Hühnerbeine) wird in kleinen Eimerchen serviert. Komisch und ungewohnt. An amerikanische Gewohnheiten muß ich mich noch gewöhnen.

Es wird dunkel. Irgendwo ist ein Feuerwerk. Dann geht’s zurück zum Hotel. Auf dem Weg dorthin steht eine Stretch-Limousine am Straßenrand. Der Fahrer spricht uns an. Es kommt, wie es kommen muß, plötzlich sitzen wir alle drin. Klimaanlage eiskalt, tiefe Lederpolster, getönte Scheiben, weicher Teppich, CD-Musik, TV, Bar, teure Gläser, Kühlschrank, überall farbig wechselnde Lämpchen. Und durch uns alle geteilt, ist das alles gar nicht so teuer. Wir „machen“ eine halbe Stunde „Sightseeing im Dunkeln“ durch Downtown. Wahnsinn. Obwohl, tagsüber wäre es vielleicht auch nicht schlecht…

Der Chauffeur setzt uns an einem Wolkenkratzer ab. John Hancock-Tower, eines der höchsten Gebäude in Chicago, sehr interessant und daher überaus empfehlenswert. Wikipedia: Hancock-Tower Chicago

Klar, logisch, wir wollen rauf. Hundert Stockwerke, 344 Meter hoch, fünfzig Aufzüge, hunderte Wohnungen und Büros, Ärzte, Läden, Postamt, Swimmingpool.

Mit dem Aufzug geht’s in vierzig Sekunden rauf. Bei Ingrid brauche ich bis zum fünfzehnten Stock geschätzt schon eine Minute! (Ich müßte mal die verschiedenen Geschwindigkeiten ausrechnen.) Man merkt kaum etwas. Nur auf den Ohren spüre ich einen leichten Druck. Oben haben wir klare Sicht, meilenweit. Der Ausblick ist überwältigend. Chicago bei Nacht. Wahnsinn! Ich gehe ganz rum und kann mich gar nicht sattsehen. Toll. Im Boden ist eine Glasscheibe eingelassen, durch die man ganz nach unten schauen kann. „Es kann gar nichts passieren“. Als ich sie nach einiger Überwindung betrete, sträuben sich mir alle Haare…

Viel zu schnell müssen wir wieder weiter. Also leider wieder runter; ich kaufe noch schnell eine Telefonkarte bei „Wallgreens“ um die Ecke, die Geschäfte sind hier teilweise rund um die Uhr auf. Prima!

Zum Abschluß gibt’s noch einen Absacker in einer Bar, gegenüber dem Hotel. Nur CG und ich. Der Kellner heißt Paul, ist schwul und total blau. CG erzählt mir über sich und seine Bücher und seinen Beruf. Scheint ein echt cooler Typ zu sein. Hatte ihn mir ganz anders vorgestellt. Seine beiden GoldWing-Bücher habe ich ja schon längst. Ich freue mich auf die weitere Zeit mit ihm und den andern.

Danach geht’s endlich ins Bett. Ganz schön spät mal wieder, Ingrid schläft schon, 1.00 Uhr am. Ein Uhr morgens.

 

 

Chicago – Fort Wayne

Montag, 1. Juli 2002: Sieben Uhr morgens. Heute geht es endlich los!

Der Baukran neben dem Hotel läuft und rattert. In Chicago wird früh mit der Arbeit begonnen. Die Wäsche muß (will) noch rasch mit Hotel-Föhn und Bügeleisen fertiggetrocknet werden. Dann alles einpacken. Frühstück gegenüber wie gestern. Aber heute muß jeder selbst bezahlen. Ich erfahre, daß Heide gestern Abend so müde war, daß sie verkehrt herum im Bett geschlafen ist.

Wir müssen die Mopeds aus dem Parkhaus holen. Vierundzwanzig Dollar „Sonderpreis“ für die zwei Tage, pro Moped, bar, keine Kreditkarte, obwohl wir zu mehreren auf einer Parktasche standen. Ich wußte ja, es wird teuer.

Wir haben sämtliches Gepäck dabei und müssen es jetzt wieder reinquetschen. Aufsitzen und los. Jetzt wird’s endgültig ernst. Endlos durch die Stadt und durch die Vorstadt. Die Gegend wird immer armseliger und schäbiger. Runtergekommene Mietskasernen. Schlechte Straßen.

Dann endlich Landstraße. Kreuzungen mit vier Stoppschildern. Jeder, der hier ankommt, muß grundsätzlich anhalten. Wer zuerst kommt, darf zuerst weiterfahren. Eigentlich ganz einfach.

 

Enricos gelbes Moped

Upps, ich habe ein Stoppschild überfahren, noch mal gutgegangen, keiner kam quer; ich hatte es zu spät erkannt. Mir fallen unterwegs jede Menge Fireworks-Verkaufsstände auf, ich war ja mal in meinem früheren Leben Pyrotechniker. Sogar an Tankstellen werden Feuerwerkskörper verkauft! Die Schnarchnasen der deutschen Gewerbeaufsichtsämter würden ausrasten. Bis zu 70% Rabatt gibt’s auf die Knaller. Sehr erstaunlich.

Ich sehe die erste Radarfalle, Ein Cop im Auto mit Laserpistole, versteckt am Straßenrand. Heiß, 93 °F (ca. 35 °C). Längst ist es ländlich geworden. Schöne Landschaft. Alles ist eben. Keine Städte, auch keine Dörfer, ganz selten mal eine Art winzige Kleinstadt. Die Landschaft ist total zersiedelt, überall ein Haus, auch mal eine Farm. Oft ein vor sich hinrostendes Schrottauto neben neueren Autos vor den Häusern. Amerikanische Briefkästen am Straßenrand, wie im Film. Keine Satellitenschüsseln auf den Dächern zu sehen, selten mal eine große Zwei-Meter-Schüssel für’s Kabel-TV in der Umgebung. Überall flattern amerikanische Flaggen, an den Häusern, an den Zäunen, an den Autos.

Friedhöfe fallen mir auf, am Straßenrand, ohne Zaun, fast ohne Baum, völlig eben, oft nur kleine Steinplatten auf den Gräbern, oft mit vielen farbigen Plastikblumen, ganz schön bunt. Es ist halt ungewohnt.

Dann immer wieder kleine und größere Reklameschilder am Straßenrand, die auf kirchliche Glaubensgemeinschaften und Sekten hinweisen; sind die Amis wirklich so fromm?

   Leere Straßen – das macht einfach Spaß

Die Straßen sind meist wie ausgestorben. Unglaublich selten müssen wir mal überholen. CG führt souverän. Mopedfahren macht hier wirklich viel mehr Spaß als bei uns.

Wir sind meistens etwas schneller unterwegs als die erlaubten 55 mph, fünfundfünfzig Meilen per Stunde (88 km/h). Eigentlich immer zehn Meilen mehr als erlaubt, also so um die hundert km/h. Das soll so von der Polizei gerade noch toleriert werden.

An den Kreuzungen keinerlei Wegweiser. Nur Schilder mit Zahlen. Man ist auf der Soundso und kreuzt die Soundso. Und dazu oft noch die jeweilige Himmelsrichtung. Sehr ungewohnt.

Kaum ein Auto hat vorne ein Nummernschild. Das gefällt mir. Ich bin neidisch darauf. Mein Auto würde ohne vorderes Nummernschild auch besser aussehen. Die Mopeds haben ganz kleine Nummernschilder. Das würde mir für Deutschland noch besser gefallen. Aber stattdessen müssen wir ja zuhause mit unseren Kuchenblechen rumfahren.

Wir kommen durch Bremen. CG hält an einem See. Holzhäuser. Oft deutsche Namen an den Schildern. Die Felder werden größer. Überall wird Mais angebaut. Steht hier genauso hoch wie bei uns.  

Wir besichtigen eine Amish-Farm. Beim Wiederaufsitzen sehen wir, daß sich die Seitenständer tief in den Asphalt gebohrt haben und die Mopeds gleich umfallen könnten. So heiß ist es hier, der Asphalt wird unter so viel Hitze und Druck weich!

Eine Pferdekutsche wird überholt, drinnen Mädchen mit Kopfbedeckungen wie früher. Bestimmt sind es Amish-People.

Wir rasten ab und zu und trinken dann möglichst viel. Eiswasser wird überall nachgefüllt. Auch das ist ungewohnt: Softdrinks, Cola, Limo usw. werden ebenfalls kostenlos nachgefüllt (Refill). Einmal bezahlen und dann trinken, soviel man will. Das gefällt mir. Warum gibt’s das nicht auch bei uns?!

 

Kurze Rast

Heide & CG

Ein paar von uns fahren nur mit T-­Shirts und haben längst Sonnenbrand auf den Armen. Ein paar andere der Gruppe haben noch immer schwere Motorradkleidung an.

Endlich kommen wir nach Fort Wayne. Unser erstes großes Ziel. Ein kleiner Schlenker, einmal unerlaubt abbiegen, und schon sind wir am Hotel. Sieht gut aus. Wieder eiskalt in der Lobby. GoldWinger werden auf einem Schild herzlich begrüßt. Ich erfahre später, daß alle umliegenden Hotels wegen des WingDings fast ausverkauft sind, genauso wie die Campingplätze in der Nähe. Unser Hotel ist fast neu. Tiefe Teppiche. Unser Zimmer ist prima. Wir springen alle kurz in den Pool. Schade, der Whirlpool ist kalt, zu kalt, wird gerade aufgeheizt. Rasch noch etwas Wäsche waschen. Wir haben ja alle nur ganz wenig Klamotten mit, nur, was halt in Seitenkoffer und Topcase paßt. Deshalb müssen wir alle auf der gesamten Reise abends ständig Wäschewaschen.

Dann fünfzig Meter rüber in ein Steakhouse. Ich weiß nicht recht, was ich bestellen soll, weil die Karte (für uns beide) ziemlich unübersichtlich ist. Aber was dann kommt, gefällt mir. Große Portion, mexikanisch scharf und saftiges Fleisch. Prima. Wir trinken alle Margaritas für 99 Cent, heutiger Sonderpreis. Haut ganz schön rein bei mir. Den zweiten schaffe ich nicht. Kein Training. Bin nix mehr gewöhnt.

Zum Rauchen muß man in die Bar. Dort sitzen wir dann später noch gemütlich an der Theke. Witze werden erzählt. Einige nicht ganz stubenrein.

Um halbzwölf geht’s rüber ins Bett. Elke sitzt noch immer am Hotel-PC und e-­mailt. Ist hier kostenlos. Prima. Ingrid und  ich haben immer noch nicht zuhause angerufen. Das wird bestimmt wieder Gemecker geben!

 

 

Wing-Ding, das größte GoldWing-Treffen der Welt

Dienstag, 2. Juli 2002: Frühstück gibt’s im Hotel. Einfach, aber ausreichend. Walter war die Klimaanlage im Zimmer zu laut. Stimmt. Uns auch. Dann geht’s los und wir fahren zum WingDing. Ohne Helme (ist hier im Staat erlaubt) und natürlich nur mit T-­Shirts. Dieses hier ist das fünfundzwanzigste WingDing. Tausende GoldWings stehen bereits vor der Halle, ordentlich aufgereiht. Ich fühle mich auf Anhieb heimisch. Gleicher unter Gleichen.

Aus dem Internet: „Wing Ding ist die ultimative Honda Gold Wing & Touring Bike Convention! Die Treffen werden jedes Jahr von der GWRRA an verschiedenen Orten in den USA veranstaltet.“

 


Mann, sind das viele GoldWings!

Wir parken rasch unsere Mopeds und betreten erwartungsvoll die Halle. Kühl, aber nicht zu kalt. Also ganz erträglich. Enrico erledigt rasch die Einschreibung. Dann trennen wir uns, jeder geht wie er will. Ich laufe mit Ingrid durch die erste Halle. Jede Menge Verkaufsstände mit GoldWing-Teilen. Absoluter Wahnsinn! Viele Menschen. Essen und Trinken gibt’s auch, aber hier gibt’s ausnahmsweise und leider kein Refill. Dann die zweite Halle. Sie ist noch viel größer und heller. Wieder jede Menge Verkaufsstände. Und Pin-Striper, die ihre Aufträge sofort abarbeiten.

Im Paradies für GoldWinger

Und dann unglaublich viele Montage-Stände. Man kann sämtliche Chromteile kaufen und gleich hier montieren lassen. Auch Reifen, Anhängerkupplungen, Licht und Lampen, einfach alles. Der nackte Wahnsinn! Paradiesisch! Schade, mein Moped ist zuhause. Trotzdem kaufe ich ein paar kleine Sachen, sie müssen halt irgendwie noch rein­gequetscht werden.

Wir werden mehrmals sehr freundlich angesprochen und gefragt, wo wir herkommen. Müssen fremdländisch aussehen, trotz oder wegen unserer Kutten. Nette Leute, die Amis. Gefällt mir. Ich sehe mir natürlich auch noch das Freigelände an. Am Honda-Stand werden die neuen Farben für 2003 vorgestellt. Ein paar Trike-Stände. Und jede Menge Trikes. Interessant, aber viel zu heiß. An jedem Ess- und Getränkestand lange Schlangen. Menschen, Menschen, Menschen! Aber irgendwie sind sie uns nicht fremd, sind ja vertraute und leicht erkennbare GoldWinger, und die sehen wohl in der ganzen Welt ähnlich aus!

Manche GoldWinger sehen überall gleich aus

Auch hier immer mal wieder kurze, freundliche Gespräche, wenn auch (bei mir) meist mit Händen und Füßen.

Irgendwann sind wir beide geschafft. Fix und fertig! Es ist noch heißer draußen. Wenn man durch die Tür ins Freie kommt, erdrückt einen die Hitze, umgekehrt erschlägt einen die Kälte. Zwischendurch gehen wir in die dazugehörige Einkaufs-Mall. Schade, wir haben keinen Platz in unserm Moped, könnten ein paar schöne Sachen kaufen. Schön kühl hier drin. Aber wir müssen ja auch mal wieder raus zu den andern. Au, die Hitze haut uns erneut um!

Nachmittags steigen wir alle auf unsere Mopeds und fahren mit vielen anderen GoldWingern auf einen in der Nähe gelegenen Parkplatz. Laufend kommen neue Motorräder dazu. Etwas Besonderes bahnt sich an.


Über Geschmack kann man trefflich streiten…

Mann, es werden immer mehr, das sind ja inzwischen ein paar tausend GoldWings geworden! Eine ganz knapp hinter der anderen, lange Reihen, ganz eng nebeneinander. Und immer noch kommen neue dazu. Wir stehen ganz am Anfang in einer der ersten Reihen. Wahnsinn. Sind die denn alle bekloppt hier?

Die Amis spinnen mit ihren Anhängern

Irgendwann geht’s los, Ausfahrt. Ein langer Lindwurm setzt sich in Bewegung. Gut, daß fast alle aus unserer Gruppe kurzärmelig und ohne Helm fahren. Später werden Uwe und Jana in der amerikanischen WingWorld (Heft 10/2002, Seite 58, links oben) sogar als schlechtes Beispiel abgebildet: So sollte man nicht fahren! Wissen wir doch, aber es fahren doch viele so. Jeder hupt mit allem was er hat. Alle Lichter an. Schade, wir haben kaum was. Muß ich halt mehr hupen. 

 

Halbrechts CG (mit Helm) und Heide, davor links Ingrid und ich

Die Leute am Straßenrand freuen sich und staunen, manche sind ganz aus dem Häuschen und winken uns total begeistert zu. Sie werden sich wohl noch lange rumfreuen können, denn die Kolonne wird bestimmt noch einige Zeit an ihnen vorbeifahren. Polizisten halten den seitlichen Verkehr an; die armen Autofahrer, sie werden wohl noch länger warten müssen…

Viel zu schnell sind wir am Ziel. Ingrid und ich treffen zufällig einen anderen Münchner GoldWinger. Er erzählt, daß er schon seit Wochen mit Wohnmobil und einer GoldWing auf dem Anhänger unterwegs ist; er bleibt einfach da, wo es ihm gefällt. Wir beneiden ihn. Hier am Ziel ist ein großes Zusammensein vorbereitet und alles strömt in eine Richtung. Wir haben aber keine Lust dazu und fahren alle zurück zum Hotel. War prima, aber wir sind müde. Pool und dann Essen wie am Abend vorher gleich nebenan. Heute gibt’s keine Margaritas mehr, zu teuer. Endlich haben wir beide auch zuhause angerufen. Wunderbar einfach mit der Telefonkarte. Und äußerst preiswert. Gefällt mir.

Nachtrag: Leider gibt es die WingDing-Treffen nicht mehr. Das letzte fand 2013 in Greenville, South Carolina statt. Insgesamt waren es fünfunddreißig Treffen. Schade drum.

 

 

Fort Wayne – Greensburg

Mittwoch, 3. Juli 2002: Wir packen die Mopeds. Unser Frühstück ist heute Morgen mal ganz okay. Walter hat ein Lammfell von zuhause dabei. Ich besorge Ingrid und mir noch schnell im naheliegenden Riesen-Supermarkt Sonnenschutzcreme für die Lippen.

Los geht’s. Die Felder werden noch größer. Immer noch vor allem Mais. Und Soja. Alles ist grün. Straßen endlos lang und gerade, alles flach, ab und zu mal ein Wasserturm in der Ferne. Dort sind dann meist Kleinstädte.

Wir besuchen eine Farm mit Verkauf von Andenken und vielen hübschen Kleinigkeiten. Wir trinken mal wieder so viel wie möglich. Eiskalt. Hier gibt’s leider kein Refill.

Ingrid kauft eine hübsche Decke und läßt sie per Paketdienst nach Litchfield schicken, wo wir sie später weitersenden lassen wollen.

Und weiter. Jetzt ist es doch etwas anstrengend. Vor allem natürlich wegen der enormen und ungewohnten Hitze. Endlich halten wir an einem See. Heiß. 95 °F. (35 °C – klingt erstmal nicht viel, kostet aber doch Kraft.) Wir essen und trinken hier auf der schattigen Seeterrasse und ruhen uns etwas aus.

Günter schüttelt seine Videokamera schon wieder, weil sie ab und zu nicht richtig funktionieren will. Schütteln hilft dann schon mal.

Nur gut, daß wir zwischendurch mal nach den Mopeds schauen. Die Seitenständer bohren sich schon wieder in den weichen Asphalt! Darum stellen wir jetzt alle Mopeds lieber auf ihre Hauptständer. Als wir später erneut zurückkommen, um weiterzufahren, sehen wir, daß sich diesmal die kompletten Hauptständer in den Asphalt gebohrt haben. Mein Moped ist umgefallen und „schläft“. Mist, Spiegel und Seitenkoffer sind leicht verkratzt, das wird bei der Rückgabe bestimmt Ärger geben!

Weiter geht’s. Straße kurvig, neu geteert. Wir fahren viel zu schnell. Ingrid schimpft, hat offenbar etwas Angst. Heide filmt ständig unsere Gruppe beim Fahren. Toll, wie sie oft ihren Körper verdreht, um Aufnahmen nach hinten zu machen. Wir kommen nach Oldenburg.

Hauptstraße in Oldenburg

Viele deutsche Schilder. Die Main Street heißt „Haupt Strasse“. Noch überraschender: Eine riesige deutsche Kirche.

Hier ein paar Infos, die ich in Wikipedia gefunden habe: Oldenburg wurde 1839 von einer Gruppe deutscher Siedler gegründet. Die Stadt wurde nach der Stadt Oldenburg in Oldenburg in Deutschland benannt. Die Stadt wird und wurde wegen seiner Kirchen und religiösen Bildungseinrichtungen als „Dorf der Türme“ bezeichnet. 1851 gründete Mutter Theresa Hackelmeier (1827-1860) von den „Schwestern des hl. Franziskus von Oldenburg“ zahlreiche Schulen im Mittleren Westen. Das historische Viertel Oldenburg wurde 1983 in das nationale Register historischer Stätten der USA aufgenommen.

 

 

Ingrid und ich. Man beachte meine grünen Lieblingsschuhe. Jahre später werde ich sie auf einer USA-Tour an einem See aus Versehen stehen lassen. (In der Hand halte ich meine Sonnenbrille.) Mein Blick sagt es bereits: „Alles langweilig hier, ich will endlich weiterfahren!“

 

Schattenparker…

Oldenburg

Zwei Frauen kommen vorbei, als wir am Straßenrand noch kurz anhalten. Eine spricht etwas Deutsch und wir quatschen ein bißchen mit ihr. Gegenüber ein Gebäude, das wie ein ehemaliges Kloster aussieht. Riesiges Backstein-Gebäude. Und sie bestätigen auch, es ist eine Art Kloster. Typisch deutsch aussehend.

In der Ortskneipe trinken wir noch etwas. Die Wirtin spricht aber leider kein Deutsch.  

Abschied aus Oldenburg

Wir fahren weiter. Heiß. Ein Stück Autobahn. Irgendwann sind wir an unserem heutigen Hotel in Greensburg. Die Seitenständer haben sich unterwegs immer wieder in den Teer gebohrt. Aber jetzt passen wir auf und legen meistens eine zusammengedrückte überall herumliegende Coladose drunter.

Wir fragen ein paar Feuerwehr-Leute auf dem Hotelparkplatz, wo man gut essen kann, bekommen einen Tipp und fahren ein kurzes Stück hinüber. Mir schmeckt es nicht besonders (wie immer…) und ich tausche meinen Teller mit CG. Bier gibt’s mal wieder hier keins, wir müssen es uns an einer Tankstelle holen. Die meisten Kneipen sind hier alkoholfrei.

Abends ist die Temperatur erträglicher. Deshalb sitzen wir noch länger zum Chillen vor dem Hotel, bevor es dann wohligmüde ab ins Bett geht.  

 

 

Greensburg – Nashville

Donnerstag, 4. Juli 2002. Vierter Juli. Amerikanischer National-Feiertag. Aufstehen um 5.30 am. Ja, halbsechs! Mitten in der Nacht. Frühstück um 6 am. Mit ohne allem! Hier gibt’s nur Kaffee aus dem Automaten, Cornflakes mit H-Milch und Donuts aus einer Schachtel. Sehr ungewohnt! Eigentlich etwas unbefriedigend. Wir müssen so früh aufstehen, weil uns eine lange Etappe bevorsteht.

Erfreulich, wir sind heute wieder auf einem Highway, keine Autobahn, wie immer unglaublich wenig Verkehr. Schöne Straße, kurvig, gut zu fahren, viele Bäume.

 

 

Ein kurzes Stück „unpaved road“ gibt es auch mal zur Abwechslung:

 

Manchmal stinkt es ziemlich unangenehm. CG erklärt uns dazu, daß das wohl meistens totgefahrene Stinktiere im Straßengraben sind.

Es wird 99° F = 38 °C. Heißßß! Wegen der hohen Luftfeuchtigkeit ist das Temperaturempfinden gefühlt noch deutlich höher.

Heute haben wir etwa dreihundertsechzig Meilen vor uns, ab und zu etwas Autobahn. Wir meutern unterwegs alle. CG fährt ja voraus und macht viel zu wenig Stopps, sodaß wir kaum etwas zu trinken bekommen, wir meckern und schimpfen deshalb.

Trucks überholen uns auf einem Stück Autobahn, teilweise siebzig, achtzig Meilen (120/130 km/h) schnell. Viel schneller als erlaubt. Geht mit CG natürlich nicht. Er fährt immer nur ein bißchen mehr als erlaubt.

Dann wird die Strecke wieder abwechslungsreicher. Endlich erreichen wir Nashville. Stadtautobahn, zehn Spuren, viel Verkehr. Und dann sind wir endlich an unserem Hotel. Ich beginne auf dem Parkplatz ein Schwätzchen mit einem Harley-Fahrer samt Freundin. Urig-bärtiger Typ. Beide sind sehr sympathisch. Seine Freundin gefällt mir aber besser. Wenn er sich beim Sprechen nur etwas mehr Mühe geben würde!

Enrico und Heide freunden sich unterdessen mit einem Trucker an und sehen sich seinen Wagen auch kurz von innen an.

So klein, wie sie hier aussieht, ist die GoldWing doch gar nicht…

Abkühlen im Pool. Wir essen in unmittelbarer Nähe in einem Trucker-Lokal und sehen uns spätabends noch in einem riesigen Supermarkt um; er ist im Prinzip wie bei uns, aber eben viel größer und mit riesiger Auswahl. Vor allem die Gänge sind sehr großzügig. Die Kassierer/innen stehen an den Kassen und müssen alles in Tüten verpacken. Man muß nur noch bezahlen und die vollen Tüten greifen. Prima, müsste bei uns auch so sein!

Ein paar von uns holen Bier und wir setzen uns an den Pool. Wir erfahren von Günter und Erika, daß sie in der gleichen Straße in Dachau wohnen, in der der Airbrusher sitzt, der unseren Anhänger gebrusht hat. (Gebrusht. Sagt man so?) Wir sind also im letzten Jahr schon einmal direkt bei ihnen vorm Haus vorbeigefahren.

Wir sehen und hören zwei Feuerwerke in der Nähe. 4. Juli. Nationalfeiertag. Ich finde den Abend sehr harmonisch und fühle mich großartig. CG ändert den morgigen Plan. Wir wollen Morgen Jack Daniels in der Nähe Guten Tag sagen.

 

 

Nashville – Memphis

Freitag, 5. Juli 2002. Mein Geburtstag. Ich werde 50 Jahre alt. (Zum siebten Mal.) Und sieben Stunden später als zuhause! Komisches Gefühl. Das Frühstück ist wieder ein Continental Breakfast. Es gibt also mal wieder fast gar nichts.

Wir fahren los. Bald sind wir in Lynchburg und besichtigen die Jack Daniels-Destillery. Im Werksbus wird mir ein Geburts­tagsständchen gesungen. Prima. Leider viel zu kurz. Die Firma sieht etwas altmodisch aus. Ich frage mich während der Führung durch die Fabrik, ob hier sämtlicher Jack Daniels-Whisky hergestellt wird, oder ob es nicht doch noch irgendwo eine supermoderne Fabrik gibt?

Ein Tresor in einem ganz altmodischen Bureau. Gegen ihn hat Jack Daniels mal getreten und ist an den Folgen gestorben. Ich muß in Zukunft aufpassen, nicht mehr gegen PC, Auto, Moped oder unsern Tresor zuhause zu treten, wenn sie mich ärgern! Habe ich bisher zu gerne gemacht. Wenn es meistens auch nicht viel geholfen hat…

Klar, es gibt keine Jack Daniels-Kostproben, nur schäbige Eislimonade. Aber wenigstens kostenlos. Wir werden fotografiert. Das Foto sollen wir später im Internet herunterladen können. Und so habe ich es auch gemacht:

Bei Jack Daniels (mit ein paar Leuten einer anderen Gruppe zusammen)

Weiter geht’s. Viel zu heiß! 100° F. 38°Celsius. Mittagessen bekommen wir in einem Western-Lokal an der Straße. Es gibt kostenlose Erdnüsse. Die Schalen läßt man einfach auf den Boden fallen. Eine Kakerlake läuft vor unseren Augen über den Bartresen.

Der Fußboden sieht schlimm aus, als wir gehen. Erdnussschalen. Weiter geht’s. Inzwischen ist es noch heißer. Schildkröten laufen über die Straße, da müssen wir alle ständig aufmerksam und bremsbereit sein.

Unser Gemecker gestern hat geholfen, heute hält CG öfters an, damit wir etwas zu trinken bekommen.

Immer wieder stelle ich auf unserer Reise fest, wie freundlich die amerikanischen Autofahrer sind. Wenn wir mal ein langsamer fahrendes Auto überholen müssen, helfen sie uns immer, die Gruppe zusammenzuhalten, machen bereitwillig Platz und drängen sich nicht zwischen unsere Mopeds. Prima!

Unsere Scheiben bleiben stets sauber, keine Insekten drauf! Ich weiß gar nicht, warum. Bei uns zuhause müßten wir die Scheiben jeden Tag putzen.

Endlich erreichen wir Memphis. Noch ein Schlenker, weil die Anfahrt nicht richtig beschrieben ist. Dreihundertvierzig Meilen (550 Kilometer) heute gemacht. Erst mal springen alle in den Pool. Dann chartern wir drei Taxis und fahren in die Stadt rein. Beale-Street. Ist offenbar die wichtigste Straße in Memphis. Abends für den Verkehr gesperrt. Aus jedem Haus tönt hier Musik, Krach und Lärm! Gedränge und Geschiebe. Wir essen einen schrecklichen Burger. Hier gefällt es Ingrid und mir nicht. Wir sind wohl schon etwas zu alt. Darum fahren wir beide mit Walter bald wieder zurück ins Hotel. Der Taxifahrer erzählt uns, daß Memphis über eine Million Einwohner hat. Wir müssen ihm natürlich erzählen, wo wir herkommen. Manches, was ich erzähle, versteht er.

Am Hotel angekommen hole ich uns drei noch etwas Bier an der Tankstelle und wir sitzen noch gemütlich am Pool. Dann ab ins Bett. War ein schöner Geburtstag.

 

 

Memphis + Elvis

6. Juli 2002. Heute Morgen geht’s erst einmal nach Graceland. Ist hier „um die Ecke“ und leicht zu finden. Riesen-Andrang. Hier wird unglaublich viel Geld gemacht! Disney-Land en miniature! Das müssen zig Millionen Dollar sein! Jedes Jahr! Ach was, bestimmt jeden Monat!! Und das über so viele Jahrzehnte! Gelddrucken ist schwerer. Ingrid und ich wollen nur das Haus von Elvis sehen. Für alles andere muß man noch mal extra bezahlen: Seine Flugzeuge, seine Autos, sein Kino und was weiß ich noch alles. Enrico verspricht, mir nach der Reise ein paar Fotos zuzusenden. Vielen Dank, lieber Enrico!

 

Enrico & Elke

Gehört alles Elvis – und noch vieles mehr

Nach dem Bezahlen muß man noch an jeder Menge Verkaufsläden vorbei, natürlich nur mit Elvis-Devotionalien, und dann noch ein paar Fressstände, hm, Entschuldigung, Stände mit Essen und Trinken, wo natürlich auch unglaublich Geld abgegriffen wird. Überall herrscht ein entsetzliches Gewusel. Daher ist hier auch alles penibel genau geregelt. Bevor es dann endlich weitergeht, wird erst einmal noch ein Foto der jeweiligen Gruppe gemacht, auch von uns.

Dann erhält jeder Kopfhörer und Kassettenrecorder zum Umhängen. Ab in einen kleinen Bus, über die Straße und in genau abgezählten kleinen Gruppen darf man endlich durch Elvis‘ Haus. 

Vor Elvis`Haus

Ich wundere mich über die kleinen Räume. Hab‘ ich mir immer größer vorgestellt. Zuhause habe ich mehr Platz. Wir sehen das Erdgeschoß und die ausgebauten Kellerräume. 

In Elvis´Haus

Die obere Etage ist leider nicht zugänglich. Alles meist recht bieder eingerichtet. Trotzdem bestimmt teuer gewesen. Ich verdrücke eine Träne vor Ergriffenheit. Dann nebenan die Halle mit unzähligen goldenen Schallplatten und Fotos; militärische und persönliche Erinnerungsstücke. Weiter, an der Pferdeweide vorbei, in eine kleine Sporthalle. Dort sehe ich viele seiner Anzüge, kommen mir teilweise bekannt vor, schlank und irgendwie sehr verstaubt und alt aussehend. Die späten Anzüge sieht man nicht, sie wären zu groß, weil er da schon fett war und daher sind sie für das Publikum nicht geeignet. Ist mir auch ganz recht so. 

Elvis´Anzüge

Zum Schluß die Grabstellen im Garten. Ich sehe sie mir nicht an und drücke mich, ohne hinzusehen, schnell dran vorbei.

Ich weiß ja:  Elvis lebt!

 

 

Memphis – West Plains

Samstag, 6. Juli 2002. Weiter geht’s. Unglaublich heiß. Erneut 100° F. Ich schalte das Radio ausnahmsweise mal wieder ein. Und sofort, wie durch ein Wunder, wie bestellt, ich denke, ich träume, fetzt wohlbekannte Musik durch die Luft. „Born to be wild“. Paßt! Lautsprecher natürlich auf volle Pulle. Gänsehaut. Eigentlich kann man in den USA kein Radio einschalten, ununterbrochen Werbung und Gequatsche.

Um Zeit zu sparen, fahren wir mal wieder ein Stück Autobahn. Wir nähern uns der ersten Baustelle in den USA. Sie ist ganz schön lang. Nur noch zweispurig, eine Spur für die andern, eine für uns. Läuft aber prima. Nicht wie bei uns. Ist ja auch nur wenig Verkehr. Am Ende der Baustelle sehen wir die erst zweite Radarfalle auf unserer Reise: Wieder ein Polizist im Auto mit Laserpistole. Damit kann man leben. Bei uns alle paar Kilometer Radarfallen, Starenkästen, Laser, Polizei mit Video! Wir essen in einem miesen McDonald’s.

Irgendwann überqueren wir den Mississippi. Am Straßenrand und an jeder Kreuzung stehen jetzt mal wieder Wahlplakate. Offenbar wird hier bald gewählt. Die Wahlplakate sind mir schon seit einigen Tagen mehrmals aufgefallen und wir werden sie auch noch einige Tage sehen. Aber das tut der Freude am Fahren natürlich nichts.

 

Unsere zunächst oft gerade Landstraße wird unmerklich hügelig und kurviger. Plötzlich ändert sie sich total: Die Straße wird wellig, auf und ab geht’s. Hui! Das macht ja richtig Spaß! Rauf und runter! Nochmal tanken und dann geht’s schon wieder weiter. Immer wieder auf und ab, mit bis zu 90 mph (etwa 140 km/h), eigentlich wie eine kleine Achterbahn. Manchmal, kurz vor dem oberen Punkt der Welle, sehe ich die Straße vor mir nicht mehr. Dazu ständig leichte Kurven. Das Adrenalin steigt. Ingrid meckert und schimpft jetzt immer mehr. Ich soll etwas zurückbleiben oder sie will absteigen und mit dem Bus weiterfahren. Trotzdem macht es immer noch Spaß, wir fahren gegen die tiefrot untergehende Sonne. Prima.

Viel zu schnell ist alles vorbei und wir erreichen unser Hotel in West Plains. Schnell in den Innen-Pool. Der Whirlpool ist sehr heiß. Wir essen nebenan Steaks. Nicht so gut. Wie gehabt, Bierholen an der Tankstelle. Dann sitzen wir alle gemütlich auf der abendlichen Terrasse. Einer nach dem andern verschwindet ins Bett.

 

 

Branson

Sonntag, 7. Juli 2002. Heute brauchen wir mal nicht zu packen, wir bleiben eine weitere Nacht im Hotel. Wir machen eine kleine Spritztour nach Branson. Die meisten von uns fahren ohne Helme und wieder nur in T-Shirts. Wahnsinn, manch einem hätte ich es gar nicht zugetraut…

Wieder ist die Straße wellig, kurvig und schnell. Ingrid schimpft und meckert natürlich schon wieder gleich los.

 

 

Heute ist es mal nicht so heiß, „nur“ noch 85 °F (30 °C). Unterwegs halten wir kurz an einem See. Wir erfahren, daß es ein Stausee ist, um andere flußabwärts liegende Dörfer vor Hochwasser zu schützen. Wie auf der ganzen Tour macht Heide ihre Filmaufnahmen, CG fotografiert wie verrückt. Ein paar von uns gehen zur Abkühlung bis zu den Knien ins Wasser.

Vollgefressen – da wird man müde…  😉 

Nach dieser kurzen Mittagspause geht es wieder weiter und bald darauf sind wir in Branson. CG ist erstaunt. Aus einem ruhigen Touristen-Ort ist ein kleines Las Vegas geworden. Jede Menge Spielcasinos. Wir quälen uns mühsam über die einzige Straße. Zähflüssiger Verkehr, Auto an Auto, Stop’n‘Go. Schrille Leuchtreklamen. Laut und bunt. Unvermeidliche Fast Food-Läden. Es ist schon längst wieder heiß. Wir essen in einem großen Lokal, in dem ein paar Oldtimer sehr dekorativ herumstehen. Enrico geht’s heute leider nicht gut; er fährt gleich wieder mit Elke zurück. Wir andern besuchen noch einen Flea-Market (Flohmarkt) und kaufen ein paar kleine Sachen.

Zurück geht’s die gleiche Strecke, Temperatur unterwegs erträglich, da wir ja keine Helme dabei haben. Einige fahren mal wieder „etwas“ schneller; einer will wieder etwas zurück bleiben, wir fahren ihm mal wieder viel zu schnell. Die Straße ist aber auch zu geil…

Zuhause angekommen, besucht Walter den Wal-Mart in der Nähe und kommt ganz begeistert zurück. Abends holen wir uns Bier, bestellen Pizza und machen eine Pool-Party! Dieser Abend wird überaus „gemütlich“. Um 12.00 pm (Mitternacht) geht’s ins Bett.

 

 

West-Plains – Saint Louis

Highway # 19 

Montag, 8. Juli 2002. Um acht Uhr geht’s los. Zuerst besuchen wir alle den in der Nähe liegenden Walmart. Er ist tatsächlich gigantisch und hat sieben Tage rund um die Uhr auf. Toll! (Außer kürzlich war ich ja auch noch nie einem US-Supermarkt.)

Heute Morgen haben wir nur noch 78 °F (25 °C). Der aufregendste Teil unserer Reise liegt vor uns. Der Highway 19 geht wieder wellenförmig auf und ab, hier ist er aber wesentlich steiler und höher als die bisherigen Abschnitte gestern und vorgestern. Interessant und aufregend. Kurz vor den oberen Scheitelpunkten sieht man keine Straße mehr vor sich und „saust in den Himmel“.

 

Einfach nur geil – so auf und ab

Ich bedauere es sehr, daß ich beim Fahren keine richtigen Fotos oder gar Videos machen kann! Unterwegs krabbeln wieder Schildkröten über die Straße und wir müssen noch schärfer aufpassen. Am Ende wollen einige der Gruppe ohne Sozia die Straße noch einmal „etwas“ schneller abfahren. Und los geht’s! Helme bleiben zurück. Ich werde schon bald überholt, obwohl die Nadel manchmal über 90 mph (145 km/h) anzeigt. Naja, ich lasse sie vorbei, ich will ja auch noch Spaß haben. Wäre mir sonst zu riskant. Am Ende machen wir rasch noch ein Foto und „fliegen“ zurück.

 

Vollgepumpt mit Adrenalin und mit großen erlebten Spaßgefühlen kommen wir zurück. Meine Haarspitzen vibrieren wie noch nie in meinem Leben vorher!! Die Strecke ist Wahnsinn! Und kaum ein anderes Auto unterwegs gesehen! Mopeds gar nicht. Bei uns zuhause könnte man sich hier vor Mopeds nicht mehr retten.

 

Big Spring, die größte Quelle der Welt und St. Louis

Weiter geht’s. CG kennt sich hier offenbar überall gut aus. Es macht immer Spaß, ihm hinterherzufahren. Er verfügt über ein großes Wissen und führt einfühlsam und vorausschauend, einfach in jeder Beziehung kompetent. Jetzt geht es zur angeblich größten Quelle der Welt. Big Spring. Sehr eindrucksvoll. Aber ob der Superlativ hier wirklich berechtigt ist?? Es gibt auf jeden Fall drei „größte Quellen der USA“ mit unterschiedlichen Wassermengen. Das Wasser ist klar, leuchtet wunderschön in sämtlichen Grün- und Blautönen – und ist eiskalt.

Wikipedia: Big Spring (Missouri). Sie ist eine der ergiebigsten Karstquellen der USA. Die Quelle befindet sich im US-Bundesstaat Missouri am Rande der Ozark Mountains. Sie liegt im Tal des Current River, ca. 4 Meilen entfernt von Van Buren (Missouri).

Schön grün & blau & weiß – und wirklich eiskalt

Elke wagt es trotzdem und begibt sich im Bikini und zunächst auf Zehenspitzen ganz vorsichtig ins Wasser; sie schätzt es auf 15 °C. Plumps, sie rutscht aus und die arme fällt auch noch ganz ins eiskalte Wasser. Jana und Uwe trauen sich auch, aber nur bis zum Knie – und in Klamotten. Für mich wär das jedenfalls nix.

Wir essen in einem großen Holzhaus-Restaurant nebenan sehr gut zu Mittag. Nach dem Weiterfahren wird es langsam wieder wärmer. Nachmittags sind es schon wieder 97 °F (36 °C). Über fast leere Highways kommen wir nach St. Louis. Wir machen uns gleich auf, um noch rasch den Gateway Arch Gateway Arch of St. Louis zu besuchen. Er ist ein riesiger glänzender Bogen aus Stahl, grazil aussehend, über zweihundert Meter hoch. Er soll das Tor zum Westen versinnbildlichen, durch das früher die Siedler gezogen sind.

Mann ist der hoch – der geht ja gar nicht ganz aufs Foto

Bevor man den Arch betreten darf, muß man durch eine strenge Sicherheits-Kontrolle, wie am Flughafen. Gut, daß es schon später Nachmittag ist und daher nur noch wenig Leute anstehen, sonst müßten wir hier bestimmt ewig warten. Mit komischem Gefühl im Bauch fahren wir in kleinen, engen, heißen, ruckeligen Kabinen der „Tram“ mit jeweils fünf Sitzen nach oben. Ingrid und ich haben zwei süße Teenager in der Kabine, die mit ihrer Klasse auf Klassenfahrt sind. Oben haben wir durch winzige Luken und auf kleinen Schrägen liegend, einen sensationellen Rundumblick auf die Stadt und auf den Mississippi. 

 

Die Aussicht ist mal wieder überwältigend

Alle sind sehr bewegt, von der Architektur, der Aussicht und von der menschlichen Intelligenz, mit der man solche einzigartigen Monumente erschaffen kann.

Wir essen in einem Spaghetti-House ganz in der Nähe, ganz ordentlich, aber auch nicht besser als zu Hause. Enrico, Elke, Uwe und Jana wollen noch das Spielcasino auf einem Schiff gegenüber und das hiesige Hardrock-Café besuchen. Wir andern fahren zurück zum Hotel.

Wir haben heute zweihundertachtzig Meilen hinter uns. Ingrid und ich gehen um eins ins Bett.

 

 

Saint Louis – Hannibal

Dienstag, 9. Juli 2002. Aufstehen um halb acht. Continental Breakfast. Abfahrt halb neun. Endlich sind wir alle mal ausgeschlafen. Von St. Louis geht’s heute nach Hannibal. Wie jeden Morgen fahren wir geringfügig später ab als vorgesehen, weil der eine oder andere (ich nenne natürlich keinen Namen…) herumtrödelt und wie fast jeden Morgen nicht rechtzeitig fertig wird. (Dabei bin ich sonst stets pünktlich! Ich entschuldige mich auch an dieser Stelle nochmal bei allen Reiseteilnehmern. Aber in Wirklichkeit hat natürlich Ingrid immer so viel Zeit verbummelt.)

(Hier ein kleiner aktueller Einschub von mir:  St. Louis war lt. FBI-Statistik 2010 die gefährlichste Stadt der USA. Jeder etwa fünfzigste Einwohner soll hier im vergangenen Jahr Opfer eines Verbrechens geworden sein.)

Auf dem Weg zur Autobahn sehen wir den Arch noch mal von weitem.

 

Autobahn. Plötzlich ein lauter Knall! Reifenplatzer! CG’s Hinterreifen ist platt! (Aber nur unten.) Glücklicherweise ist den beiden dabei nichts passiert! Moped ist auch heil geblieben. Enrico bestellt bei Niehaus übers Handy einen Abschleppwagen, wir andern beschließen, CG und Heide hier mit ihrem Moped zurückzulassen und plangemäß weiter nach Litchfield zu Amerikas größtem GoldWing-Händler Niehaus zu fahren. 

Nach einer Stunde sind wir da. Wir hören, daß der Abschleppwagen schon wieder auf dem Rückweg ist. Nach einer weiteren Stunde sind CG und Heide samt Moped, mehr oder weniger wohlbehalten, trotz sengender Sonne, wieder da und der Reifen wird schnell gewechselt. Einige von uns haben inzwischen jede Menge GoldWing-Teile eingekauft. Sie sollen an Enrico versandt werden und wir holen sie bei ihm später ab. Ein paar bisher unbenötigte Kleidungsstücke werden noch dazu gelegt, sodaß wir ab jetzt etwas weniger Gepäck dabei haben. Das morgendliche Packen wird dadurch etwas leichter. Ingrids Decke ist auch schon da und kommt in die große Sendung.

Außer jeder Menge Chromteile gibt es bei Niehaus noch viel Motorrad-Kleidung und zig GoldWings zu bestaunen. Das muß natürlich ausgenutzt werden! Erstaunlich, daß in sämtlichen Mopeds, auch in denen auf dem riesigen Parkplatz vorm Haus, sämtliche Schlüssel stecken. Man kann einfach aufsitzen und damit auf dem Hof herumfahren. Wir könnten damit aber auch abhauen, aber Amerikaner denken nichts Schlechtes über ihre Mitmenschen! 

Wir alle bei Niehaus

 V.l.n.r: Ingrid, Elke, Uwe, Jana, Heide, meine Wenigkeit (liegend), CG (oben), Enrico (unten), Erika, Walter, Günter

Ich zögere lange, probiere dann aber doch endlich mal ein Trike aus und fahre damit über den Hof; mein Geschmack ist es nicht, in der Kurve viel zu gerade, man sitzt total aufrecht und hat bestimmt kein angenehmes Kurvengefühl. Ich fühle mich wie der sprichwörtliche Affe auf dem Schleifstein. (Ich entschuldige mich bei sämtlichen Trike- und Gespannfahrern!) Wirklich ein merkwürdiges Gefühl und außerordentlich gewöhnungsbedürftig. Darum hoffe ich, daß ich noch lange mein normales zweirädriges Moped fahren kann. (Denn: Das Schönste am Motorradfahren ist die Geschwindigkeit, immer etwas drüber, und die Schräglage in den Kurven, also das Sich-in-die-Kurve-legen.)

Ein anderer aus unserer Gruppe probiert eine große Harley aus; „richtigerweise“ entscheidet er sich beim Absitzen dafür, sie einfach auf eine andere, danebenstehende Harley fallen zu lassen. Glücklicherweise geht nichts kaputt. Aber was soll man auch sonst mit einer Harley machen, als sie einfach „wegzuwerfen“?

Wir sehen uns auch die umliegenden Geschäfte an, trinken etwas und lesen zu unserem Erstaunen auf einem Verkehrs-Schild, daß wir hier direkt auf einem Fragment der Route 66 stehen. Aber es sieht hier wie in jedem anderen Industriegebiet der Welt aus.

Um halb sechs geht’s weiter. Große dunkle Wolken dräuen am Himmel vor uns. Ich ahne schon nichts Gutes. Und richtig, es wird dunkel und dann geht’s auch schon los. Starker, böiger Seitenwind und dann Regen. Ingrid hat ihre bisher nicht benötigte Lederjacke bei Niehaus zurückgelassen, jetzt muß sie sehen, wie sie zurechtkommt. Aber, wenn Engel reisen, dann gibt es halt nur gutes Wetter. Wind und Regen hören schneller als erwartet auf, und wir haben eine wunderschöne Fahrt in den Spätnachmittag. Zwischendurch müssen wir eine kleine Fähre über einen kleinen Fluß benutzen; sie wartet schon auf uns, legt auch gleich ab, und schon sind wir drüben. Kostet nix, prima, wie auf den Fähren über den Rhein zwischen Deutschland und Frankreich.

Wir sausen mit 80 mph (bis zu 130 km/h) über gute Straßen und dann auf der „Great-River-Road“ durch das Mississippi-Tal. CG führt ja grundsätzlich und er fährt sich immer freier, was mir ja ganz gut entgegenkommt.

 

Achtung Wildwechsel

Die Sonne geht leuchtendrot unter, und bald erreichen wir Hannibal, Geburtsort Mark Twains. Es ist schon fast dunkel, als wir endlich auf den Hotel-Parkplatz rollen.

 

Das Einchecken geht mal wieder rasch vonstatten. Anders als bisher liegt der Hotel-Pool diesmal innen in einer riesigen atriumartigen Halle. Wir können aus unserer zweiten Etage direkt darauf hinuntersehen. Schnell zum Erquicken in den Pool und in den Jacuzzi. Dann fahren wir in ein Steakhouse in der Nähe. Das Essen schmeckt mir wie immer nicht besonders. Bier gibt’s auch schon wieder nicht. Und den von mir bestellten „Super-Salad“ gibt’s auch nicht, die Kellnerin hatte mich „Soup or Salad“ gefragt; ich hatte es falsch verstanden und bei ihr den „Super-Salad“ bestellt. Alle lachen über mich, und ich werde mir meinen Hörfehler später noch oft anhören können (müssen).

Wieder wird Bier an der Tankstelle geholt. Wir dürfen dann noch im Frühstücksraum des Hotels sitzen. Nicht sehr gemütlich, es ist ein ziemlich kahler/kühler Raum, aber es geht. Zweihundert Meilen heute „gemacht“. Müde und schon wieder spät. Zwei Uhr morgens.  

 

 

Hannibal. Bei Mark Twain, Tom Sawyer und Huckleberry Finn

Mittwoch, 10. Juli 2002. Heute ist Ausruhtag. Wir schlafen etwas länger, bis neun Uhr. Ingrid und ich frühstücken gegenüber: Wir wollen mal was anderes essen. Ganz schön teuer, das Hotel-Frühstück wäre kostenlos gewesen. (Ja, ich hab‘ immer was zu meckern…)

Anschließend wandern wir zu zweit durch die Gegend. Jedes Haus, jede Straße, jeder Baum und jeder Stein hat offensichtlich irgendetwas mit Mark Twain zu tun. Wir versuchen, uns in eine Bimmelbahn zu schmuggeln, fallen aber unter all den Amis zu sehr auf. Ich muß Tickets kaufen. Alle lachen. Naja, ich hab’s halt versucht. Zuhause wäre es vielleicht gegangen…

Endlich geht’s los. Wir zuckeln über die Straße. Viel verstehe ich vom Vortrag unserer „Reiseleiterin“ nicht, obwohl sie eigentlich ganz deutlich spricht. Habe halt zu wenig Übung. Dann ein Aussichtspunkt hoch über dem Mississippi mit Mark Twain-Denkmal. Naja, auch nichts Besonderes. (Viel später lerne ich auf meinen USA-Reisen, daß die Amis gerne viel Tamtam um gar nichts machen. Sie haben halt nicht mehr vorzuzeigen bei ihrer kurzen Geschichte.)

Dann in die andere Richtung, wieder durch die Stadt. Die berühmte Tom Sawyer und Huckleberry Finn-Höhle. Ein schwarzes Loch im Fels. Wir halten gar nicht erst an. Sorry, auch wieder langweilig! Plötzlich regnet es. Es regnet in die Wagen, weil alle Wagen natürlich seitlich offen sind. Alle Passagiere drängen sich in der Mitte zusammen. Wir sitzen relativ günstig und werden kaum naß. Als wir aussteigen. hört der Regen schon wieder auf.

Im Hotel schlafen wir etwas. Danach Schwimmen im Pool. Dann in den wärmemäßig halbwegs erträglichen Whirlpool. Ingrid muß mal wieder Wäsche waschen.

Ausgeruht laufen Ingrid und ich nachmittags noch einmal durch die Stadt. Alles klein und übersichtlich hier. Ein paar Einkäufe. Kleinigkeiten. Wir haben ja keinen Platz im Moped. Um fünf treffen wir uns alle. Enrico will uns mit etwas überraschen. Wie ich es schon geahnt habe, gibt es eine Fahrt auf einem kleinen Mississippi-Dampfer „Mark Twain“. Klar, logisch, wie der Name es schon sagt, auf dem Mississippi. Wieder wird beim Betreten ein großes Foto von allen gemacht.

Auf der „Mark Twain“

V.l.n.r.: Heide, CG, Walter, Enrico, Uwe, Jana, ich, Elke, Edith, Günter, Ingrid

 

Überraschung! Enrico lädt uns alle auch noch zum Abendessen auf dem Schiff ein! Prima. Wir bedienen uns am Büffet. Ich will erstmal überall probieren, so, wie ich es auch sonst gerne mache. Als ich mir ein zweites Mal holen möchte, ist alles schon wieder komplett abgeräumt. Wow, da hab ich aber Pech gehabt. Ingrid lacht, sie hat es geahnt. Alle um mich herum lachen. Naja, das bißchen, was ich hatte, war aber gut, tröste ich mich. Der größte Hunger ist weg. Ein Musiker spielt, Banjo und Mundharmonika, gleichzeitig. Und es gibt noch Nachtisch. Viel zu süß. Ich kriege noch zwei Portionen von den andern geschenkt; sie haben Mitleid mit mir.

Dann gehen wir raus aufs Deck. Schön hier. Abendstimmung auf dem Mississippi! Die Zeit müßte stehen bleiben! Mann, ist das schön! Natürlich gibt es auch Abendrot. Ich wundere mich, daß kein einziges Frachtschiff zu sehen ist. Auf den Autobahnen und auf den übrigen Straßen gab es schon kaum Trucks; jetzt hier überhaupt keine Schiffe. Läuft denn der gesamte Frachtverkehr in den USA auf der Bahn? frage ich mich.

Der Banjospieler kommt raus. Er hat einen Sender dabei, der die Musik drahtlos überträgt. So ist er auf dem ganzen Schiff zu hören. (Später, auf einer der nächsten Reise werden wir ihn nochmal in der Nähe des Grand Canyon hören und sehen können. Zufälle gibt’s…) Wir stehen beide ganz vorn und können ihn und die Leute beobachten. Schöne, angenehme Musik. Manche Lieder erkenne ich. Alle sind gerührt. So friedlich. Und schön. So müßte es bleiben! Ein Zug fährt am Ufer vorbei. Manche davon sollen bis zu fünf Loks und bis zu vierhundert Waggons haben, erzählt uns der Amerikaner neben uns. (Naja, Amis übertreiben ja sehr gerne.) Die Sonne versinkt im Abenddunst.

Schade, viel zu schnell sind wir zurück. Das vorher gemachte Foto wird natürlich gekauft.  

Danach besuchen wir noch ein Lokal, um wieder Runterzukommen. Alle sitzen an einem runden Tisch und trinken ein Bier. Dann geht’s zurück ins Hotel. Wir setzen uns erneut in den Frühstücksraum und wollen die Reste vom Abend zuvor trinken. Brad kommt. Er ist einer der Hotel-Manager. Er spendiert uns jede Menge Bier und Nüsse. Kostenlos. Prima. Jetzt kommt auch noch sein Kumpel. Er verkauft im Jahr zweihundert Harleys. Er gibt unter der Hand zu, GoldWings sind technisch besser. Enrico fachsimpelt mit ihm. Um zwölf gehen wir alle ins Bett. Was für ein wunderbarer Tag!

 

 

Hannibal – Davenport 

Donnerstag, 11. Juli 2002. Aufstehen um 8.00 am. Um 8.45 Uhr geht’s schon los. Ich will noch schnell einen Film kaufen, darf aber nicht, Uwe drängelt (hoffentlich zum Spaß), läßt mir keine Zeit. Ganz schön kühl heute Morgen, 75 °F, etwas trüb. Auch nicht schlimm. 

 

Ganz schön frisch heute Morgen. Ich fahre fast immer ganz hinten.

Mit jetzt teilweise 75 mph (bis zu 120 km/h!) geht’s über Land, weiter auf der Great-River-Road am Mississippi entlang. CG hat seine anfänglich sehr enge Meinung deutlich geändert. Dadurch läuft alles viel geschmeidiger.

Wieder fallen mir die unzähligen Stromleitungen auf. Sie sind einfach überall, in den Orten, auf dem Land, in der Stadt. Sieht irgendwie unordentlich aus.

Immer noch Mais, Mais, Mais! Unterwegs probieren Uwe und Elke die rohen Maiskolben. Mittagsrast machen wir in einem Trucker-Lokal. Die Besitzer heißen Schmidt, sind schon seit Generationen hier. Bauen alles selbst an. Schmeckt trotzdem nicht besser als sonst. Bin halt zu verwöhnt.

Nachmittags erreichen wir unser Hotel in Davenport. Davenport? Ich erinnere mich: Hier ist der von mir hochverehrte Cary Grant am 29. November 1986 bei der Durchreise an einem Schlaganfall gestorben.

Schnell in den Pool und Whirlpool. Dann noch schneller in die Bar. Happy Hour, für jedes Getränk gibt’s ein zweites kostenlos. Essen am Büffet ist auch kostenlos. Wow! Gut so!

Irgendwann beschließen wir, aufzubrechen und noch mal eine Einkaufs-Mall zu besuchen. Schnell ist ein Taxi besorgt. Der Taxidriver sieht wie ein Harley-Fahrer aus. Lange graue, fettige ungepflegte Haare, zum Zopf gebunden, schwarze Leder-Klamotten, unglaublich schräg hinter dem Lenkrad liegend. Irgendwie bekloppt. Ich frage ihn. Ja, wir haben recht, er fährt eine Harley. Er schafft es, uns heil ans Ziel zu bringen und wir gehen in der Mall Einkaufen. Ingrid findet süße, rote Lederstiefel, die später noch oft bewundert werden sollen. Ich finde wieder mal nichts. Viel zu wenig Zeit. (Und als Mann genügen mir ja sowieso eine Hose, ein paar Schuhe, ein Shirt, ein Pullover…)

Dann essen wir in einem Lokal etwas und warten auf die Rückfahrt mit dem Taxi. Es kommt viel zu früh, wir schicken es wieder weg. Dann die Rückfahrt. Ein anderer Taxifahrer. Er nuschelt schrecklich, wir können ihn kaum verstehen. Endlich traue ich mich und spreche ihn mit meinem holprigen Englisch an: „Sir, would you be so kind and take the Ping-Pong-Ball out of your mouth?“ (Sir, seien Sie bitte so nett und nehmen den Tischtennisball aus Ihrem Mund?) Die andern lachen sich darüber kaputt, aber ich habe ja auch recht. Er lächelt. (Er hätte mir aber auch in die Schnauze hauen können, wie es mir von Ingrid ja schon so oft wegen meiner frechen Bemerkungen prophezeit worden ist…).

Dann trinken wir noch etwas in der Hotelbar. Wir treffen uns mit verschiedenen Jägermeistern, hier nur kurz „Jaeger“ genannt. Es werden dann doch etwas mehr. Und ganz schön teuer. Naja, nicht schlimm. CG und Heide tanzen. Um zwei Uhr gehen wir ins Bett. Irgendwie. So richtig in Erinnerung ist mir der Abschluß dann aber nicht mehr…

 

 

Davenport – Chicago

Freitag, 12. Juli 2002. Wer trinken kann, kann auch aufstehen. Also los, um acht raus aus den Federn! Heute gibt’s zum ersten und zum letzten Mal ein richtig gutes Super-Frühstück. Sind wir gar nicht mehr gewöhnt. Prima! Komisch, ich kann heute gar nicht so viel wie sonst essen. Peppi meckert, weil ein paar Leute von uns angeblich in der Nacht laute unflätige Lieder vor seinem Hotelzimmer gesungen hätten. Also, ich war’s nicht und ich kann mich auch gar nicht dran erinnern. Und schmutzige Lieder kenn ich ja sowieso keine.

Wir fahren noch einmal runter zum Mississippi, halten kurz am Spielcasino. Es geht mir gut! Nein, ich habe keinen Brummschädel! Ja, ich habe gute Laune! 

 

Am Mississippi

Dann ein kurzes letztes Stück am Fluß entlang und schließlich über eine lange Brücke (1,7 km, „Rock Island Centennial Bridge“). Ab jetzt sind wir wieder zurück in Illinois. Wir halten drüben am Ende der Brücke noch mal kurz an und nehmen endgültig Abschied vom Mississippi. Mach’s gut, good ol‘ Man! Wer weiß, ob wir uns noch mal wiedersehen. War schön bei dir! 

 

Parkplatz am Mississippi

Auf die Autobahn. Autobahn heißt hier Interstate. Highways sind einfach nur Landstraßen, es gibt sie zwei-, drei- und vierspurig, normal oder autobahnähnlich. Highways haben aber oft Unmengen Briefkästen am Straßenrand und jede Menge Wendemöglichkeiten, auch wenn sie mit ihren grünen Mittelstreifen gerne wie ein Interstate aussehen (wollen). Ungewohnt, aber eigentlich ganz einfach.

Was mir sonst noch an Unwichtigem so aufgefallen ist: Überall, während der gesamten Reise, sehe ich abgestorbene Bäume, einzeln und auch ganze Gruppen. Jedenfalls wesentlich mehr, als bei uns. Und die Straßen sind oft erheblich schlechter als bei uns. Es gibt tiefe Schlaglöcher, sogar auf den Autobahnen. Glatte schnelle Bundestraßen wie bei uns hatten wir nur selten, es holpert eigentlich immer und überall ein bißchen – oder eben auch mehr. Und dann die Leitplanken: Sie sind ziemlich selten und immer nur ein paar Meter. Auch auf den Autobahnen. Und überall und jeden Tag sieht man Leute rasenmähen.  

Immer noch Mais- und Sojafelder. Benzin wird knapp, die Anzeige leuchtet und wird immer roter (oder röter?). CG fährt doch tatsächlich schon wieder an einer Tank- und Raststätte vorbei. Ich kann’s kaum glauben. Schläft er? Ah, jetzt fährt er von der Autobahn runter. Hier ist doch aber keine Tankstelle weit und breit! Er hält. Aber er hält doch wirklich an einem einsam und allein in der Gegend rumstehenden Cola-Automaten! Nein, wir sind nicht durstig! Wir brauchen diesmal dringend Benzin!! Wir bestrafen ihn: Keiner steigt ab. Alle sind mehr oder weniger sauer. Also weiter. Endlich, eine kleine Raststätte. Viel weiter wären wir wahrscheinlich nicht mehr ge­kommen! Erstmal tanken! Dann trinken. Schon geht’s weiter. Schon wieder heiß. Maisfelder und Gegend, eigentlich wird das nie langweilig. Ich sauge alles in mich rein. Unser Trip ist bald zu Ende.  

Dann halten wir an einem einfachen Lokal. Unser letztes Mal.

 

Letzte Rast „on the road“

Auf den Fotos an der Wand erkennt man, daß es ganz früher mal eine Tankstelle war. Essen ist nicht besonders. Ist halt Fastfood. Weiter geht’s. Immer noch Maisfelder. Der Verkehr wird lebhafter, städtischer, enger, lauter. Schade, jetzt geht’s dem Ende zu, endlose Vororte von Chicago beginnen. Ein Polizist mit Laser lauert hinter einer Brücke. Insgesamt jetzt der dritte in vierzehn Tagen.

Noch etwas Stadt-Autobahn und schon sind wir am Hotel. Direkt am Flughafen. Vier Uhr nachmittags. Wird ja ’ne laute Nacht werden. Zimmer sind okay. Hier kann man sogar Fenster aufmachen! Gut. Jetzt erstmal duschen. Leider gibt’s hier kein Schwimmbad.

CG und Heide, Uwe und Jana, Ingrid und ich fahren zu einem Walmart. Walter heißt inzwischen schon längst wegen seiner öfteren Walmart-Besuche nur noch Walmart-Wally oder einfach Walt. Wir wollen billige Jeans einkaufen. CG und Jana werden fündig. Walt findet einen fürs Topcase geeigneten Innenspiegel, Ingrid kauft ein paar Kleinigkeiten und ich besorge mir nur eine Großpackung Kopfweh-Kapseln für zu Hause. Wahnsinn, was man hier alles an Medikamenten in Selbstbedienung kaufen kann. Gefällt mir.

Zurück zum Hotel. Wir essen nebenan italienisch. Prima. Ich habe selten so gute Nudeln gegessen. Viel Knoblauch. Heißt hier „Garlic“. Enrico bezahlt. (Hätte ich das mal vorher gewußt!) Er lädt uns zum gelungenen Abschluß nochmal alle ein. Sehr angenehm. Auch jetzt noch einmal, vielen Dank lieber Enrico. CG und Enrico halten eine Abschiedsrede. Wir sind alle etwas traurig. Einige gehen ins Bett. Ingrid und ich bleiben noch etwas, wir sind heute Abend nicht so müde wie sonst so oft. CG kommt später noch mal zu uns und trinkt noch was mit uns. Heute wieder hundertneunzig Meilen gemacht. Um zwölf brechen wir ab und gehen ins Bett.

 

Heimflug Chicago – Düsseldorf

Samstag, 13. Juli 2002. Um sieben müssen wir Aufstehen, Abfahren um acht Uhr. Trotz offenem Fenster hab‘ ich keine Flieger gehört. Naja, ich schlafe ja immer gut, tief und fest. Enrico fährt zu seinem Vermieter. Wir in die andere Richtung. Autobahn, zweimal Toll bezahlen, einmal mogeln wir uns durch die offene Schranke ohne zu bezahlen. Viel zu schnell sind wir bei Patricia. Sie wartet schon; sie hat sieben Tage rund um die Uhr auf. Mopeds ausräumen; dann werden sie von ihrem Mitarbeiter gecheckt. Mir ist flau wegen der Kratzer. Ich habe Glück, keine Mängel. Unnötig Bauchweh gehabt. Bei den andern auch keine Beanstandungen.

Wir packen unser Gepäck zusammen. Noch etwas Papierkram. Wir haben 2.700 Meilen (= ca. 4.300 km) durch vier US-Staaten „gemacht“. Illinois, Indiana, Tennessee, Missouri und wieder Illinois. Und das auf unglaublich leeren Straßen. Ich schätze, wir haben insgesamt, außer auf der Autobahn und in den Städten, kaum zehn, zwanzig Autos überholen müssen. Unglaublich, aber wahr! CG hat uns absolut kompetent geführt; er kennt sich offensichtlich gut in den USA aus. Was ein Riesenglück, daß wir ihn dabei hatten. Prima der Typ, absolut cool! Mann, was war das schön! Überhaupt, er und Enrico hatten im Vorfeld bereits alles perfekt organisiert! Und alle andern haben sich prima in unsere kleine Gruppe integriert. (Ist ja nicht immer so, wenn ein paar Leute mit Mopeds unterwegs sind…)

Ich bin traurig. Hätte ewig weitergehen können. Wir wollen nächstes Jahr wieder eine USA-Tour zusammen machen. Unbedingt!  

Dann in den kleinen Bus. Kommt mir vor wie der Weg zum Schafott. Unsere letzten Stunden in den USA. Wir fahren zum Flughafen. Wieder ganz schön kalt hier im Bus. Viel zu schnell sind wir am Check-in-Schalter. Enrico kommt auch schon. Wir checken ein. Dann müssen wir noch ein paar Stunden warten; unser Flieger startet erst um vier Uhr nachmittags. 

Chicago von oben

Im Flugzeug habe ich diesmal einen Fensterplatz. Mir ist nicht gut, kann die Aussicht gar nicht genießen. Die Anspannung fällt von mir ab. Später erkenne ich den Toronto-Tower direkt unter mir. Er ist ganz deutlich zu sehen. So deutlich habe ich kürzlich auch den Eifelturm gesehen. Schön!

Um 7.00 Uhr morgens MESZ landen wir in Frankfurt Rhein-Main. Umsteigen. Wir verabschieden uns voneinander. War ’ne prima Zeit. Mein schönster Urlaub! Alles dufte Kumpels. Mal sehen, was davon an Freundschaft bleibt. Auf jeden Fall werden wir uns alle spätestens am 23. November 2002 bei Enricos Jahresabschlußparty wiedersehen. Naja, alles hat ein Ende. Auch diese Reise.

Zwei Stunden warten, CG kommt noch mal bei Ingrid und mir in der Wartehalle vorbei, ein allerletztes Händeschütteln, ein letztes Mal Umarmen, dann in den Flieger nach Düsseldorf. Diesmal sind wir nur eine halbe Stunde in der Luft. Gepäck ist da, alles, auch die Helme, die wir diesmal mit aufgegeben hatten. Mit dem Auto geht’s nach Hause. Eine Reise ohne Probleme. So soll eine Reise sein!

 

Fazit:   ES WAR EINFACH SCHÖN!

 

 

 

Heides CD über unsere Reise ist in Wirklichkeit eine ganz, ganz tolle DVD geworden und heißt

„Es ist irre, eine GoldWing zu fahren“ von Heide Staehelin.

 

 

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Eine letzte Anmerkung von mir: Dies hier war der erste Reisebericht, den ich jemals geschrieben habe. Der Text ist/war damals noch etwas ungelenk. Deshalb habe ich ihn jetzt, achtzehn Jahre später, vorsichtig und behutsam aktualisiert, um ihn etwas leichter lesbar zu machen. Dabei habe ich mir Mühe gegeben, den damaligen Schreibstil beizubehalten. Fast alle Fotos hat mir Enrico zur Verfügung gestellt. Meine eigenen sind in fremden Händen und für mich leider unerreichbar.

Sämtliche früheren Reiseberichte im alten Layout (2002 bis 2019) kann ich nur äußerst schwierig bearbeiten. Deshalb belasse ich es (vorerst) bei zwei überarbeiteten Reiseberichten.

 

 

 

 

Die weisen Worte des Dalai Lama:

Sensibilität ist ein Zeichen von Intelligenz.

 

(Und man sagt von mir, ich sei sehr sensibel…)

 

 

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Sollten sich auf meinen Fotos zufällig erkennbare andere Personen befinden, die dieses nicht wünschen, dann bitte ich hiermit

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 Die Personen werden selbstverständlich sofort unkenntlich gemacht,
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© WILFRIED VIRMOND 2002                                               Written with my own heart blood in EU

 

 

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